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Der Bassinplatz

[von Dr. H. Kremer, publiziert in
„Der Bassinplatz – Ein Kampf mit dem Wasser“, Horizonte, 2007]

So sitze ich nun bei kaltem Wetter auf einer Bank auf dem größten Platz der Stadt, fast vier Fußballfelder groß.

Seine Geschichte beginnt vor 250 Jahren, im Zuge der zweiten barocken Stadterweiterung durch den Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I.
Es mussten damals weitere Areale der Stadt trockengelegt bzw. drainiert werden. So entstand dieser Teich, fast schon ein kleiner See. Auch andere Plätze in Potsdam verdanken ja ihre Entstehung einem feuchten und sumpfigen Untergrund. Die Geschichte des Platzes setzt sich fort mit der Randbebauung nach französischen, holländischen und italienischen Vorbildern. Später, 1875, wird das Wasser dann ganz verschwinden zugunsten eines „Platzes“. Es werden im Laufe der Zeit zwei Kirchen erbaut, später die Halle eines riesigen Busbahnhofs. Die damalige Trockenlegung des sumpfigen Stadtbezirks ließ das „Bassin“ als Auffangbecken entstehen, zusammen mit der Ableitung durch den Behlertgraben in den Heiligensee und einer weiteren in den Stadtkanal. Dies war die Voraussetzung zur Errichtung des Holländischen Viertels an der Nordseite. Die West- und Südseite des großen Rechtecks ließ der König dann mit den Typenhäusern der zweiten Stadterweiterung einfassen. Im Osten begrenzte die Stadtmauer das Areal. Mein Blick geht hinüber zum Sowjetischen Ehrenfriedhof hinter der Kirche „St. Peter und Paul“. Er wurde 1946 angelegt, über dreihundert Tote liegen dort, jedes Grab mit einem Stein und einem Pflanzbett. Sie fielen im Kampf um Potsdam irgendwo in der Stadt, kurz vor dem Ende des Krieges. Ein Obelisk erhebt sich in der Mitte, das Symbol der Ewigkeit…

Obelisk auf dem Bassinplatz in Potsdam
Obelisk auf dem Bassinplatz in Potsdam

An dieser Stelle also stand die Gloriette, die Georg Hermann, der Potsdamer Chronist vor einem dreiviertel Jahrhundert noch sah. Ein kleiner Ziegelbau mit geschweiftem Dach und einer Laterne obenauf, mitten in dem großen ovalen Becken, das wegen seines geschweiften Randes einst „Bratenschüssel“ getauft wurde. Es gibt die Legende, dass besagter Soldatenkönig in der Gloriette sein Tabakskollegium abgehalten habe. Aber das stimmt wohl nicht ganz. Johann Boumann, der Ältere, ein Holländer aus Amsterdam, soll das Häuschen gebaut haben.

Kirche St. Peter und Paul auf dem Bassinplatz in Potsdam
Kirche St. Peter und Paul auf dem Bassinplatz in Potsdam

Ein Mann, „der sich die Architektur angewöhnte“, wie Georg Hermann schreibt. “Es fehlte ihm der Funke“, setzt er noch hinzu; aber Kunststück, wenn er ihn ausgerechnet mit v. Knobelsdorf vergleicht, der nicht nur Schloss Sanssouci entwarf, sondern auch die Französische Kirche an der Südost-Ecke des Platzes. Diese scheint nicht für diesen Platz gemacht zu sein. Ihre vornehme Tempelfront wendet sich ab, der Französischen Straße zu. Der 1753 fertig gestellte Rundbau mit seiner Kuppel aus Kupferblech wurde nach dem Vorbild des Pantheon in Rom entworfen, allerdings ein paar Nummern kleiner. Vor die hellen Putzmauern dieses „Pantheons“ schieben sich heute die Baumkronen des Soldatenfriedhofs und vor allem das mächtige Ziegelmassiv von St. Peter und Paul. Diese katholische Kirche wurde 1867 von Stühler und Salzenberg nach dem Vorbild von Sankt Zeno in Verona erbaut. Sie gibt dem Blick einen Halt- und Ruhepunkt.

Französische Kirche auf dem Bassinplatz in Potsdam
Französische Kirche auf dem Bassinplatz in Potsdam

Auch dieser Bau ist eine Pfahlgründung, wie fast alle anderen Gebäude hier. Doch zurück zu Johann Boumann. Dieser leitete den Bau des Holländischen Viertels auf der Nordseite des Platzes. 1742, nach acht Jahren Bauzeit, war es dann endlich fertig. Der Soldatenkönig hat dies nicht mehr erlebt.
134 schmucke Ziegelhäuser mit und ohne geschweiften Giebeln, hölzernen Portaldekorationen, grün und weiß bemalten Fensterläden, standen sie bereit für die holländischen Handwerker, die der König anwerben ließ. Er brauchte sie dringend für die Melioration von Stadt und Umland Obwohl sie mancherlei Privilegien erhielten, fanden sich dennoch kaum zwei Dutzend Familien ein. So verschenkte er einen Großteil der Häuser an die Grenadiere seines Leibregiments. Es wird schon ein schönes Bild gewesen sein, als sich die roten Ziegelfassaden mit ihren weißen Fugen im Wasser des Bassins spiegelten. Jedoch nicht lange, dann verlandete das Becken wegen des schlechten Abflusses immer mehr. Es bildeten sich Schilfgürtel, in denen Blesshühner nisteten und Frösche quakten. Ein Biotop mitten in der Stadt, das jedoch brackig wurde und „üblen Dunst“ verbreitete. Nach dem Siebenjährigen Krieg ließ Friedrich der Große das Bassin reinigen, es mit einer Sandsteinmauer und einem Geländer umfassen. Weiter veranlasste er, die Häuser an der Süd-Seite abzubrechen und durch größere zu ersetzen, mit repräsentativen Fassaden aus der spätbarocken Formensprache italienischer und französischer Stadtpaläste. Die Architekten Carl von Gontard und Christian Unger, beide zuvor am Hof von Bayreuth tätig, waren für Entwürfe und Durchführung zuständig. So entstanden am Bassin, wie in vielen anderen Straßen der Stadt, jene verkleinerten Palast-Kopien, die für das Auge eine Lust, für die Bewohner mitunter eine Last waren, zumindest, wenn sie sich in den niederen Zwischengeschossen wiederfanden. Unser Autor Georg Hermann hat sie noch gekannt, diese prachtvollen Häuser der Südseite. Das schönste unter ihnen hat Carl v. Gontard nach dem Vorbild des Palazzo Salviati in Rom entworfen. Diese ganze Häuserzeile fiel 1945 den Bomben zum Opfer. Ich lese weiter bei G. Hermann „Hier am Bassin stehen noch ein paar schöne Fassaden italienischer Patenschaft, aber sie sind uns im Augenblick nicht so nah mehr, weil uns die Brücke zur Gegenwart fehlt“. Die Brücke zur Gegenwart !… Er konnte nicht ahnen, wie sehr uns eines Tages noch diese Brücke fehlen würde. Wie sehr wir die Brücken im Kopf bauen müssen, um uns in nicht mehr existente Straßen und Plätze hineinzuversetzen! An der West-Seite endlich wurden die bestehenden Typenhäuser durch Friedrich den Großen ebenfalls abgebrochen, die Fundamente neu gegründet. Diesmal entwarf von Gontard dreigeschossige giebelgeschmückte Backsteinbauten mit deutlichen Anklängen an die Amsterdamer Architektur des 17.Jahrhunderts. Nirgendwo in Potsdam oder Berlin gibt es sonst Bauten dieses „Stils“. Friedrich II hat hier wohl das Faible seines Vaters für Holland aufgegriffen und so den Übergang von “Holland“ (Nordseite) zu „Italien“ (Südseite) harmonisch gestaltet.

König Friedrich Wilhelm II. ließ dann durch Lenné den Platz umgestalten, das Bassin wurde stark verkleinert, dichte Baumreihen säumten es. 1875 wurde diese Wasserfläche dann völlig zugeschüttet, aus Gründen der Hygiene, „auf polizeyliche Anordnung“. Dazu noch mal Georg Hermann: „Der Bassinplatz hat sicher eingebüßt, seitdem er Platz wurde. Diese Gloriette war überall einst von Wasser umgeben, solche Art von Teehaus, wie man es in Holland liebt, in den Teichen der großen Besitzungen. Heute aber steht das Häuschen etwas vereinsamt und beziehungslos da, mitten auf dem Platz ……

Holländisches Viertel am Bassinplatz in Potsdam
Holländisches Viertel am Bassinplatz in Potsdam

Mein Blick wandert noch einmal vom Norden, vom Holländischen Viertel, zum Süden, wo heute statt der Barockfassaden Wohnbauten aus DDR-Zeiten stehen. Man hat sie nach der Wende postmodern verschönert; ob sie dadurch wirklich schöner wurden? Doch die Leute wohnen gern dort und das ist das Wichtigste.

Luftaufname vom Bassinplatz in Potsdam
Luftaufname vom Bassinplatz in Potsdam

Auf diesem Platz, das spüre ich jetzt, ist wenig natürlich und selbstverständlich gewachsen. Vieles erscheint künstlich. Ich spüre hier, wie oft in Brandenburg, diesen starken Willen, sich selbst, den Bewohnern und dem Land etwas abzuringen. Unter großer Anstrengung und gegen Widerstände. Den Willen, sich und seine Umwelt zu bilden und zu kultivieren. Wobei sich dann unbemerkt, neben dem Nützlichen und Zweckmäßigen auch Anmut und Leichtigkeit einstellen können…
Eben „…Utile cum dulci…“, Hermann Kremer